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Lokale Stromversorgung im Gewerbe: Mieterstrom oder gemeinschaftliche Gebäudeversorgung?
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Kristina Boschenriedter
Content Manager
Veröffentlicht
Zwischen 2014 und 2024 sind die durchschnittlichen Strompreise für Gewerbekunden um ca. 40 % gestiegen (1) und stellen damit branchenübergreifend eine große Herausforderung für Betriebe dar. Die Nutzung von Solarenergie direkt vom eigenen Dach bietet eine nachhaltigere und vor allem günstigere Alternative gegenüber teurem Netzstrom, für welchen verschiedene Entgelte und Steuern anfallen.
Bei Gewerbeimmobilien wie Einkaufszentren, Logistikzentren oder multifunktionalen Gewerbeparks gibt es jedoch häufig eine Vielzahl von Mietparteien, die mit Strom versorgt werden wollen und dabei einen sehr individuellen Energiebedarf haben. Das erhöht die Komplexität der Verteilung und Abrechnung für den Eigentümer bzw. Vermieter signifikant. Um den auf dem Dach generierten Strom direkt im Gebäude zu nutzen, gibt es daher zwei zentrale Verteilmodelle: das Mieterstrommodell und die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung.
Was Sie in diesem Artikel erwartet
Im Folgenden geben wir einen Überblick darüber, was die beiden Modelle auszeichnet und beleuchten ihre Unterschiede. Wir werfen außerdem einen Blick auf die jeweiligen Vor- und Nachteile aus Mietersicht. Zum Abschluss geben wir eine Empfehlung, welches Modell für welche Gewerbeimmobilie am besten geeignet ist.
Mieterstrommodell im Überblick
Das Mieterstromkonzept besteht bereits seit 2017 und ist Teil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Beim Mieterstrom übernimmt die Immobiliengesellschaft oder der Vermieter des Gebäudes die Rolle des Vollversorgers. Seine Aufgabe umfasst dabei sowohl die Lieferung des Solarstroms als auch des benötigten Reststroms aus dem öffentlichen Stromnetz, wenn die Solaranlage nicht ausreichend Energie liefert. Alternativ kann diese Aufgabe im sog. Lieferkettenmodell auch vom Betreiber der Solaranlage übernommen werden.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Mieterstrommodell lukrativ, da der Betreiber des Mieterstroms sowohl Anspruch auf Einspeisevergütungen als auch den sog. Mieterstromzuschlag hat. Bei Anlagen, die im ersten Halbjahr 2025 in Betrieb genommen worden sind und eine installierte Leistung zwischen 41 und 1.000 kWp haben, beträgt dieser 1,62 ct pro kWh (2). Zudem muss lediglich eine Gebühr für den Hauptzähler entrichtet werden, die auf die Mieter umgelegt werden kann.
Allerdings gehen mit dem Mieterstrom nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten eines Energieversorgers im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) einher. Der Betreiber benötigt daher breitere energiewirtschaftliche Kompetenzen und ist für die vollständige Energieabrechnung der Mieter verantwortlich.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung im Überblick
Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung wurde 2024 als Teil des Solarpakets 1 verabschiedet. Im Gegensatz zum Mieterstrom ist der Betreiber lediglich für die Lieferung des auf dem Dach erzeugten PV-Stroms verantwortlich und muss sich nicht um Strom aus dem öffentlichen Netz kümmern. Dadurch hat er einen deutlich geringeren, administrativen Aufwand, sowohl bei der Strombeschaffung als auch bei der Abrechnung. Darüber hinaus gilt der Betreiber einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nicht als Energielieferant im Sinne des EnWG und trägt daher auch nicht die entsprechenden Rechte und Pflichten.
Allerdings ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung weniger lukrativ als der Mieterstrom, da kein Anspruch auf Einspeisevergütungen oder den Mieterstromzuschlag besteht. Darüber hinaus bestehen komplexe Anforderungen an die Messtechnik, da Erzeugung und Verbrauch aller Teilnehmenden im Viertelstundentakt erfasst und präzise abgerechnet werden müssen. Die Umsetzung dieser Messkonzepte erfordert nicht nur teurere Technik, sondern wird von Netzbetreibern teilweise auch abgelehnt - was die Komplexität der Projekte weiter steigert.
Unterschiede beider Modelle aus Betreibersicht
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Mieterstrom |
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung |
Rolle des Betreibers |
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Anspruch auf Förderungen |
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Umlagefähigkeit von Kosten |
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Pflichten |
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Preisgarantie |
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Benötigte energiewirtschaftliche Kompetenz |
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Technischer Aufwand |
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Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus Mietersicht?
Aus Mietersicht ergeben sich in beiden Modellen unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Vorteile Mieterstrom
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Günstiger Strompreis: Der PV-Strom muss nicht durch das Netz geleitet werden. Durch den Wegfall von Netzentgelten und Transportkosten liegt der Preis für den PV-Stromanteil deutlich unter dem Marktpreis. Zwar handelt es sich um eine Mischkalkulation aus Reststrom und PV-Strom - unterm Strich liegt der zu zahlende Gesamtstrompreis deutlich unter dem von regulärem Netzstrombezug.
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Komfort: Der Mieter bekommt seinen gesamten Strom von einem Lieferanten und muss sich nicht um einen separaten Vertrag für Reststrom kümmern.
Nachteile Mieterstrom
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Keine Wahlfreiheit für Reststrom: Der Mieter hat keine Wahlfreiheit, woher er den Reststrom bezieht, da dies durch den Betreiber des Mieterstroms bestimmt wird. Dadurch besteht kein Zugang zu Sondertarifen oder dynamischen Strompreismodellen.
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Geringere Preisplanbarkeit: Der Mieter bezahlt in der Regel einen Strompreis, der aus einer Mischkalkulation aus PV-Strompreis und Reststrompreis besteht. Der Preis für Reststrom kann allerdings nicht so lange garantiert werden wie bei PV-Strom. Die Planungssicherheit ist hier für Gewerbetreibende daher deutlich geringer.
Vorteile gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
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Wahlfreiheit beim Reststromanbieter: Der Mieter kann seinen Reststromanbieter frei wählen und hat so die Möglichkeit, von dynamischen Stromtarifen zu profitieren.
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Langfristige Preisstabilität des PV-Anteils: Die PV-Stromkosten hängen maßgeblich von den Stromgestehungskosten der PV-Anlage ab. Gebäudestrombetreiber können so einen Preis über einen längeren Zeitraum von 10 Jahren oder mehr garantieren und Mieter langfristig planen.
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Keine separaten Verträge: Der PV-Strom wird über die Nebenkosten abgerechnet und es sind keine separaten Stromverträge notwendig.
Nachteile gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
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Höherer administrativer Aufwand: Der Mieter muss sich eigenständig um einen Anbieter für den Reststrom kümmern.
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Nachvollziehbarkeit der Abrechnung: Durch das komplexe Messkonzept sind aufwendige Abrechnungsmodelle erforderlich, die auf Mieterseite teilweise schwer nachzuvollziehen sind.
Zusammenfassung aus Mietersicht
Das Mieterstrommodell ist vorteilhaft für Mieter, die eine einfache Lösung suchen, um kostengünstigen und nachhaltigen Strom zu beziehen. Im Vergleich bietet die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung mehr Flexibilität und langfristige Preisstabilität für den PV-Strom.
Die Entscheidung, welches Modell gewählt wird, liegt allerdings nicht bei den Mietern, sondern beim Eigentümer der Immobilie. Das führt wiederum zu der Frage, welches Modell für welche Gewerbeimmobilie geeignet ist und wo die Vorteile für den Eigentümer bzw. Betreiber liegen.
Aus Vermieter bzw. Eigentümersicht: Welches Modell eignet sich für welche Gewerbeimmobilie?
Die Wahl zwischen Mieterstrommodell und gemeinschaftlicher Gebäudeversorgung hängt maßgeblich von den strukturellen Gegebenheiten der Immobilie, dem Energiebedarf der Mieter, sowie den energiewirtschaftlichen Kompetenzen des Eigentümers ab.
Das Mieterstrommodell ist besonders gut geeignet für Gewerbeimmobilien mit zentralem Management, wie z. B. Büroparks, Einkaufszentren oder Industriegebäude mit einheitlicher Verwaltung. Es bietet wirtschaftliche Vorteile, insbesondere wenn Fördermittel wie der Mieterstromzuschlag genutzt werden können. Die damit verbundenen Pflichten als Energieversorger sind allerdings nicht zu unterschätzen und erfordern energiewirtschaftliches Know-how.
Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung bietet sich hingegen an, wenn der Fokus auf einer möglichst einfachen Umsetzung, geringem Verwaltungsaufwand und einer langfristigen Preisstabilität für die Mieter liegt.
Zusammenfassung aus Vermieter- bzw. Eigentümersicht
Letztlich entscheidet das Verhältnis zwischen PV-Erzeugung und Verbrauchsprofil der Immobilie über die Wirtschaftlichkeit beider Modelle. Hinzu kommt die Frage, ob der Vermieter bzw. Eigentümer bereit ist, die Rolle eines Energieversorgers mit allen damit verbundenen Pflichten zu übernehmen oder ob er stattdessen ein vereinfachtes Modell mit weniger regulatorischer Last bevorzugt. Alternativ kann er sich auch bei beiden Modellen von einem externen Dienstleister unterstützen lassen.
Wie Dienstleister die Umsetzung erleichtern
Dienstleister wie ENVIRIA bieten ganzheitliche Lösungen: Sie übernehmen die Planung, Umsetzung und den Betrieb der PV-Anlage inklusive aller energiewirtschaftlichen, technischen und administrativen Aufgaben.
Im Mieterstrommodell kann ENVIRIA beispielsweise als Energieversorger auftreten und die damit verbundenen Pflichten inklusive der Reststrombeschaffung und Abrechnung vom Eigentümer übernehmen. Auch bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sorgt ENVIRIA für ein passendes Messkonzept und übernimmt sowohl die Abstimmung mit dem Netzbetreiber als auch die Abrechnungsprozesse.
So profitieren Eigentümer von einer rechtssicheren, wirtschaftlich optimierten Lösung, ohne eigenes Know-how im Energierecht oder Messwesen aufbauen zu müssen. Für Mieter entsteht ein klar strukturierter Zugang zu günstigem und nachhaltigem Strom.
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Kristina Boschenriedter
Kristina Boschenriedter ist Content Managerin bei ENVIRIA und auf die Entwicklung von Inhalten im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert. Ihr Ziel ist es, durch praxisnahe und informative Beiträge rund um die Energiewende Unternehmen den Einstieg in nachhaltige Energielösungen zu erleichtern. Ihre bisherigen Erfahrungen im B2B-Marketing verschiedener Branchen helfen ihr dabei, auf die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse von Unternehmen einzugehen.