Energiemarkt

Industriestrompreis: Was der BMWE-Entwurf bedeutet – und welche Optionen Unternehmen jetzt haben

Marvin Mertens

Head of Sales & Product

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Aktualisiert

Lesedauer: 5 Minuten

Die Diskussion um den Industriestrompreis gewinnt an Fahrt. Ein internes Konzeptpapier aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) zeichnet nun ein deutlich klareres Bild davon, wie eng der geplante Preisdeckel gefasst ist, wer tatsächlich profitieren soll und welche Transformationspflichten damit verknüpft werden (Tagesspiegel Background, 2025).

Was Sie in diesem Artikel erwartet

Für die meisten Unternehmen – insbesondere im industriellen Mittelstand und im Gewerbe – wird der Industriestrompreis nicht gelten. Trotzdem wirkt er sich indirekt auf die gesamte Unternehmenslandschaft aus: energiewirtschaftlich, politisch und strategisch. 

Dieser Beitrag liefert eine kompakte Einordnung: Was sieht der BMWE-Entwurf vor, wer profitiert – und wer nicht? Warum bleiben Stromkosten für viele Unternehmen hoch, welche Preisniveaus sind realistisch erreichbar und welche Maßnahmen jetzt sinnvoll? Und warum brauchen Betriebe eine eigene, langfristige Energiepreisstrategie?

1. Was der BMWE-Entwurf zum Industriestrompreis vorsieht

Die Grundzüge des Industriestrompreises folgen den EU-Beihilfeleitlinien CISAF (Clean Industrial Deal State Aid Framework) – und genau diese Vorgaben prägen das Förderdesign. Laut Entwurf des BMWE sollen ab 2026 91 energieintensive Branchen antragsberechtigt sein. Eine Erweiterung dieser Liste wäre nur mit Zustimmung der Europäischen Kommission möglich.  

Kern des Modells ist ein staatlicher Ausgleich zwischen dem tatsächlichen Strompreis und einem Zielpreis von 5 ct/kWh – allerdings nur für bis zu 50 % des Jahresstromverbrauchs eines Unternehmens. Für die übrigen 50 % zahlen Betriebe weiter die vollen Marktpreise. Diese Einschränkung – unmittelbar aus CISAF ableitbar – gilt bei vielen Unternehmen als zentrale Schwächung des Instruments.  

Verpflichtende Investitionen an Industriestrompreis geknüpft 

Mindestens 50 % der Förderung müssen in Transformationsmaßnahmen reinvestiert werden, darunter: 

  • Ausbau erneuerbarer Erzeugung 

  • Installation von Batteriespeichern 

  • Maßnahmen zur Demand-Side-Flexibilität (Lastverschiebung, Peak Shaving etc.) 

  • Energieeffizienzmaßnahmen mit Einfluss auf den Strombedarf 

  • Elektrolyseure oder Elektrifizierungsprojekte 

Diese Gegenleistungen sind ebenfalls vorgegeben von der EU und werden von vielen Unternehmen als zusätzliche Belastung wahrgenommen – verbunden mit bürokratischen Prozessen, Gutachtenpflichten und administrativem Aufwand.  

Für Unternehmen, die mindestens 80 % der Investitionen in Flexibilitätsmaßnahmen lenken, ist ein Flexibilitätsbonus von 10 % vorgesehen. Zusätzlich soll die Förderung degressiv ausfallen – d. h. Unternehmen können eine höhere Entlastung zu Beginn beantragen, und dann weniger Unterstützung gegen Ende der dreijährigen Laufzeit erhalten. 

Der Staat rechnet für den Industriestrompreis mit Gesamtkosten in Höhe von 3,1 Milliarden Euro. Zugleich bleibt der Industriestrompreis auf die reine Strombeschaffung begrenzt – Netzentgelte und Abgaben bleiben unberücksichtigt, obwohl genau diese in Deutschland besonders hoch sind.  

Kritik am Industriestrompreis ist allgegenwärtig 

Die Kritik aus Industrieverbänden ist deutlich formuliert (Handelsblatt, 2025): 

  • Die Entlastung falle real deutlich geringer aus als kommuniziert – oft nur ein „mittlerer einstelliger Prozentwert“. 

  • 50 %-Begrenzungen bei Strommenge und Förderverwendung schränken die Wirkung massiv ein. 

  • Die 48-Monats-Umsetzungsfrist für Investitionen sei für viele Industriebetriebe unrealistisch. 

  • Der bürokratische Aufwand droht, den Nutzen teilweise zu neutralisieren. 

Damit zeichnet sich ab: Es handelt sich nicht um eine flächendeckende Strompreisbremse, sondern um ein industriepolitisch gezieltes Werkzeug für wenige Branchen unter sehr strengen Auflagen. 

2. Wen der Industriestrompreis tatsächlich erreicht – und wen nicht

Wie schon verschiedene Analysen betonen, liegt hier der zentrale Punkt: Nur rund 1 % der deutschen Unternehmen fällt überhaupt in diese 91 Branchen und ist damit antragsfähig. Die begünstigten Unternehmen sind überwiegend aus den Branchen der energieintensiven Basismaterialien: 

  • Grundstoffindustrien 

  • Chemie 

  • Papier 

  • Stahl 

  • Glas 

  • Zement 

Nicht profitieren werden jedoch jene Unternehmensgruppen, die zwar massiv unter steigenden Stromkosten leiden, aber nicht in den Kreis der begünstigten Branchen fallen. Dazu zählen mittelständische Gewerbe- und Logistikunternehmen, Handel und Dienstleister, die Immobilienwirtschaft, kommunale Betriebe sowie viele technologieorientierte KMU. 

Für sie bringt der geplante Industriestrompreis keine direkte Entlastung – selbst dann nicht, wenn ihre Energiekosten hoch sind oder sie im internationalen Wettbewerb stehen. Sie bleiben vollständig auf eigene Strategien zur Kostenreduktion, Risikominimierung und Dekarbonisierung angewiesen. 

3. Warum die Stromkosten für den Mittelstand trotz Preisdeckel hoch bleiben

Nach wie vor prägen strukturelle Faktoren die Energiekosten im Gewerbe: 

  • steigende Netzentgelte (regional sehr unterschiedlich) 

  • volatile Börsenstrompreise 

  • hoher Bedarf durch Elektrifizierung (Flotten, Gebäude, Prozesse) 

  • knappe Netzkapazitäten, besonders in Wachstumsregionen 

  • geringe Planbarkeit von Strompreisen über mehrjährige Zeiträume 

Der Industriestrompreis setzt an keiner dieser Stellschrauben an. Deshalb bleibt der Kostendruck für die meisten Unternehmen bestehen. 

Fachbeiträge zeigen, dass viele Firmen bereits heute über Investitionszurückhaltung, Verlagerungsüberlegungen oder abgebrochene Expansionspläne berichten (Wirtschaftswoche, 2025). 

Für die breite Wirtschaft gilt daher: Energie bleibt ein strategischer Kosten- und Wettbewerbsfaktor – und das ohne politische Entlastung.

4. Können mittelständische Unternehmen trotzdem vergleichbare Strompreisniveaus erreichen?

Überraschend für viele, aber durch Daten belegt: Unternehmen können durch eigene Energieerzeugung und Flexibilisierung Preisniveaus erreichen, die in der Nähe des politischen Industriestrompreis-Ziels liegen – teilweise sogar darunter. 

Typische Werte aus realisierten Gewerbeprojekten: 

PV auf Gewerbedächern 

  • Stromgestehungskosten: 7-10 ct/kWh (je nach Solar-Konzept und Gegebenheiten vor Ort) 

Batteriespeicher 

  • Reduktion von Lastspitzen (Peak Shaving) 

  • deutliche Senkung netzentgeltrelevanter Kosten 

  • Entkopplung von teuren Zeitfenstern 

  • Nutzung günstiger oder eigener Erzeugung in Hochpreiszeiten 

Intelligente Steuerung (EMS) 

  • dynamische Optimierung 

  • höhere Auslastung bestehender Netzanschlüsse 

  • planbare Energieflüsse 

Viele mittelständische Industriebetriebe erreichen durch die Kombination von PV-Strom, Batteriespeicher und intelligente Energiebeschaffung reine Energiekosten von unter 10 ct/kWh – und damit ein Niveau, das funktional dem Industriestrompreis entspricht, nur marktbasiert und ohne Auflagen. 

Mit zusätzlichen Speicherkapazitäten (insbesondere FTM-Batteriespeicher für den Energiehandel) sinken die Kosten weiter, und die Flexibilität steigt. 

5. Welche Maßnahmen Unternehmen jetzt priorisieren sollten

1. Nutzung eigener Flächen 

Gewerbedächer gehören zu den größten unerschlossenen Energieflächen in Deutschland. Ungefähr 80-90 % sind immer noch nicht belegt (Solar server, 2025).  

2. Ergänzung durch Batteriespeicher 

Sie sind inzwischen nicht Zusatz, sondern Voraussetzung für: 

  • Netzdienlichkeit 

  • Flexibilität 

  • wirtschaftliche Nutzung des PV-Stroms 

3. Intelligentes Lastmanagement mit EMS 

Steigende Netzentgelte machen diese Komponente wesentlich. Ein Energie-Management-System schafft hier Abhilfe und steuert die Energieflüsse. 

4. Ladeinfrastruktur integrieren – nicht isoliert denken 

Elektrifizierung ohne Energiekonzept erhöht Kosten unnötig. Deswegen ist es sinnvoll, E-Ladeinfrastruktur direkt mitzudenken. 

5. Grünstromverträge als Ergänzung 

Für Unternehmen mit höherem Tarifverbrauch ist die zusätzliche Grünstromversorgung wichtig für Preisstabilität und ESG-Konformität. 

All diese Maßnahmen entsprechen im Übrigen exakt den Transformationsauflagen, die das BMWK im Rahmen des Industriestrompreises vorschreibt – nur mit direkter Wirkung für alle Unternehmen, nicht nur für die energieintensiven 1 %.

Fazit: Der Industriestrompreis ist ein Instrument für wenige – Flexibilität durch eigene Erzeugung ist der Weg für den Rest

Der Industriestrompreis wird eine punktgenaue Entlastung für wenige große Industrien. Für die Mehrheit gilt: Die Energiekosten bleiben hoch, volatil und abhängig von Netzengpässen und Marktpreisen. Darum rückt ein anderer Ansatz in den Mittelpunkt: Unternehmen müssen sich einen eigenen, strukturell stabilen Strompreis schaffen. 

Das gelingt durch eine Kombination aus eigener Stromerzeugung mittels Photovoltaik, der nötigen Flexibilität durch Batteriespeicher und einer präzisen Steuerung aller Energieflüsse über ein intelligentes Energie-Management-System. Ergänzt wird dies durch die intelligente Nutzung von Energie über eine integrierte Ladeinfrastruktur sowie die Absicherung des Restbedarfs durch zertifizierten Grünstrom. 

So entsteht ein stimmiges, resilient vernetztes Energiesystem, das Unternehmen unabhängig(er) von Marktpreisen macht und einen unternehmerischen Energiekostenkorridor darstellt, der sich abseits politischer Programme bewegt – und der in der Praxis heute bereits vergleichbare Preisniveaus ermöglicht wie die geplante 5-ct/kWh-Subvention.

FAQ

Der Strompreis für Unternehmen besteht aus mehreren Bausteinen. Je nach Verbrauchsprofil, Standort und Netzanschluss variieren diese Bestandteile deutlich:

  • Energiepreis: Beschaffungskosten für Strom (Börse, Liefervertrag, PPA).

  • Netzentgelte: Gebühren für Nutzung und Bereitstellung der Netzinfrastruktur.

  • Steuern, Abgaben und Umlagen: z. B. Konzessionsabgabe oder Offshore-Netzumlage.

  • Messkosten und Dienstleistungsentgelte: z. B. Messstellenbetrieb, Abrechnung.

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Marvin Mertens

Marvin Mertens ist Head of Sales & Product bei ENVIRIA und verantwortet die strategische Weiterentwicklung und Marktplatzierung des gesamten Lösungsportfolios - von Photovoltaik über Batteriespeicher und Ladeinfrastruktur bis hin zu intelligentem Energiemanagement. Mit der Entwicklung der PEAKHIVE Suite hat er eines der ersten vollständig integrierten Energiesysteme für Gewerbe und Industrie mitgestaltet. Sein Ziel ist es, diese Innovationskraft nun konsequent im Markt zu verankern.

Mit einem Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen und seiner Erfahrung als Energie- und Unternehmensberater bringt Marvin umfassende Fachkenntnisse sowie strategisches Denken in seine Arbeit ein. Marvin ist überzeugt, dass die Energiewende nur durch den gezielten Einsatz geeigneter Speichermöglichkeiten erfolgreich umgesetzt werden kann. Sein tiefgehendes Wissen und seine innovative Herangehensweise leisten einen entscheidenden Beitrag zur Realisierung dieser Vision.

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